Montag, 22. März 2010
Spendenaufruf...
Pressebericht vom 12.03.2010 von Gloria Tröße aus Santiago de Chile
Am Samstag, dem 27.02.2010 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 8,8 den
chilenischen Kontinent und hinterließ tiefe Wunden. Ca. 2 Millionen Menschen sind vom
Erdbeben betroffen und über 800 Menschen starben. Eine kurze Schilderung wie ich die
Zeit nach dem Erdbeben in Santiago de Chile wahrgenommen habe:
Nachdem das Ausmaß des Erdbebens immer deutlicher ans Licht trat und täglich neue,
erschreckende Bilder in den Nachrichten erschienen, setzte sich in mir eine Innere Unruhe
fest. Immer wieder spürten wir leichte Nachbeben. Das erste was mir dann in den Sinn
kam: Bitte, bitte lass es nicht schlimmer werden. Aus Angst habe ich einen Rucksack mit
meinen Reisedokumenten, Geld und Kleidungsstücken gepackt und ihn mir in Reichweite
gestellt, falls ich im Notfall schnell aus der Wohnung fliehen muss. Ich legte mir sogar eine
Mütze bereit, in der Absicht, dass sie meinen Kopf vor herunterfallenden Gegenständen
schützen sollte. Meine Schuhe stellte ich immer neben mir ab, um sie schnell anziehen und
wegrennen zu können. Tagtäglich beschäftigte mich die Frage, wie ich mich verhalte, wenn
uns noch mal ein so heftiges Beben heimsucht. Ich einigte mich schließlich darauf, dass ich
genauso reagieren würde wie an diesem Samstag, am 27.02.2010. Ich würde ein weiteres
mal unter dem Holztisch in der Wohnung Schutz suchen.




Am Montag, dem 01.03.2010 sah ich
Horden von Menschen in die Supermärkte
stürmen und Lebensmittel, einige aber
auch High-Tech Gegenstände, plündern.
Sie waren in Panik, weinten, versuchten
einander Trost zu spenden, sagten sie
haben nichts zu essen und zu trinken,
leben ohne Wasser, Strom und
medizinischer Versorgung auf der Straße
oder in stark beschädigten
(ruinenähnelnden) Häusern. Um die
Plünderungen zu stoppen wurde
Tränengas eingesetzt, es kam zu
Schlägereien, Drängeleien und sogar
Schießereien. So auch in Santiago, in einem Stadtteil einige Kilometer von mir entfernt.
Obwohl meine bisherige Wohnung mir sicher schien, da nach dem Erdbeben an dem Haus
keine Schäden entstanden waren und auch im Umfeld, Santiago Zentrum, die Schäden im
Vergleich zu anderen Regionen sehr gering waren, geriet auch ich in Panik. Einerseits hatte
ich Angst vor einer bevorstehenden Anarchie, denn die wenige Polizei war machtlos
gegenüber den Menschenmassen, andererseits ließ mich der Gedanke nicht los, dass es
bald nichts mehr zu Essen geben könnte. Obwohl ich aufgrund des Erdbebens am nächsten
Tag frei hatte, stand ich um 7 Uhr auf, nahm meinen großen Reiserucksack und kaufte auf
Vorrat ein. Ob im Supermarkt, auf der Straße oder in der Schule ich studierte meine
Umgebung genau, um zu wissen wo ich mich im Falle eines Bebens verstecken könnte.
Auch wenn Chile die letzten Wochen immer wieder von Nachbeben überrascht wurde,
schien es mir, dass die Situation nun unter Kontrolle sei und langsam wieder Ruhe
einkehren kann. Ich habe angefangen meine Angst und innere Unruhe abzulegen, so
räumte ich z.B. meinen Rucksack für Notfälle wieder aus und begann, meine auf Vorrat
gekauften Lebensmittel, aufzubrauchen.
Und dann der Schock: am 11.03.2010 um 11.30 Uhr.
Wie gewohnt ging ich auf den Hof um die Kinder des Kindergartens der Waldorfschule für
eine Geschichte in den Saal zu rufen. Als wir gemeinsam im Kreis saßen, bemerkte ich, wie
es anfing zu beben. Blitzschnell schaute ich meine 2 Mitarbeiterinnen an. Sie forderten die
Kinder auf, sich in einer Reihe aufzustellen. Damit die Kinder nicht in Panik ausbrachen,
blieben wir ganz ruhig und ließen uns nichts Außergewöhnliches anmerken. Ein Junge
fragte mich, ob es gerade bebt. Ich verneinte es, obwohl es nicht der Wahrheit entsprach.
Wir stellten uns dicht aneinandergedrängt in der Mitte des Raumes unter einen von
Holzpfosten gestützten Durchgang. Als es aufhörte zu beben und es viele Kinder komischerweise
nicht mitbekommen hatten, taten wir so, als wollten wir ein Foto schießen. Ich hätte am
liebsten angefangen zu weinen, aber im Beisein der Kinder musste ich stark sein. Und
plötzlich war sie wieder da. Diese Angst, diese innere Unruhe, dieser Tick, an allen Orten
zu überlegen, wo ich mich am besten vor einem Beben schützen kann.
In Santiago hatte das Nachbeben eine Stärke
von 6,9, in Valparaiso an der Pazifikküste
7,2.

haus

Es setzte dort einige Minuten vor der
Vereidigung des neuen Präsidenten
Sebastian Piñeras ein. Zudem wurden in
Küstennähe Tsunami-Warnungen ausgesprochen.
Im Fernsehen sah ich die
Menschen kreischend und weinend zum Berg
rennen. Unter ihnen Kinder, Rentner,
Behinderte und Blinde. Bisher sind
glücklicherweise weder Tote noch größeren
Schäden bekannt. Doch die Situation bleibt
ungewiss. Trotz allem wird der Wiederaufbau
der Häuser und Straßen fortgesetzt. Viele haben alles verloren, nicht nur Familienmitglieder
und Freunde, auch ihr gesamtes Hab und Gut. Ihnen bleibt momentan nichts anderes
übrig, als mit ihren Familien auf der Straße zu leben, voller Angst, was noch kommen wird.
Alles was ihnen geblieben ist, ist zu hoffen. Wie bei allen großen Ereignissen, lässt nach
einigen Tagen oder Wochen, dass öffentliche und internationale Interesse nach, was sich
unter anderem an den Nachrichten und Schlagzeilen in der Zeitung bemerkbar macht. Und
dennoch geht es den Menschen nicht besser! Es wird dringend Hilfe in allen betroffenen
Gebieten gebraucht.
Am Wochenende werde ich selbst mit einem Hilfe-Organisationsteam von „Cobijo para
Chile“ (Hüllen für Chile) in die am stärksten betroffenen Gebiete fahren und mit
entscheiden, für welchen Ort wir welche Unterstützung organisieren wollen.
Ein Spendenaufruf an alle: In Chile wird jetzt jede Hilfe benötigt. Die
Erdbebenopfer sind auf Spenden aus dem Ausland angewiesen. Zurzeit laufen die
Vorbereitungen für Benefizveranstaltungen, die für die Erdbebenopfer in Chile organisiert
werden. So viel möchte ich schon verraten, am 17. April 2010 können alle Freunde der
lateinamerikanischen Musik zu einer Benefizveranstaltung in Heiligenstadt auf ihre Kosten
kommen.
Für nähere Informationen, Fragen zu ihrem konkreten Projekt für die Hilfsorganisation
„Cobijo para Chile“ können Sie gern Gloria Tröße unter gloriat@gmx.de kontaktieren.
Spenden können Sie über den in Heiligenstadt ansässigen und ebenfalls in Chile
tätigen Verein „Contigo - Chance für Straßenkinder e.V.“:
Stichwort: "Ein Licht für Chile"
Spendenkonto: 48 61 100 01
BLZ: 820 40 000
Commerzbank Heiligenstadt


Bestandsaufnahme: 13.03.2010 - Fahrt nach Molina
Am Samstag, dem 13.03.2010 fuhr ich mit einem 5 köpfigen Planungsteam: Eduart, einem
Schweizer, der mit seiner Frau ein Schweizer Projekt ins laufen gebracht hat, zur
Unterstützung von „Cobijo para Chile“ (Hüllen für Chile), Paz Acuña - Psychologin, Solange
Butendieck- Heilpädagogin und Carina, Medizinerin und Gründerin des Projektes in die
Kommune Molina. Diese liegt ca. 209 Km südlich von Santiago, 3 Stunden Autofahrt in der
Region del Maule.
Meine Ansprechpartnerin Anita Isla in der „San Cristobal“ Schule in Santiago, in der ich
arbeite, berichtete mir letzte Woche von dem Projekt „Cobijo para Chile“(Hüllen für Chile).
Es wurde von Chilenen speziell zur Hilfe der Erdbebenopfer in Chile ins Leben gerufen und
befindet sich daher auch noch in der Planungs- und Organisationsphase. Wir trafen uns
dort mit der Stadträtin Priscila Castello und Luis Unzueta, Direktor einer Schule in Molina.
Mit ihnen fuhren wir die Dörfer in der Kommune Molina ab. Ziel des Tages war es, uns über
die dortige Situation im Klaren zu werden und dann zu entscheiden, ob diese Region für
unser Projekt passend ist. Wir haben uns dann entschieden, in 2 Dörfer aktiv zu werden:
Puente Alto und Itahue.
In Puente Alto sind 72 Häuser zerstört, in Itahue 110. Der Großteil lebt in Zelten oder
provisorischen Häusern (kleine Gartenlauben oder mit Planen erstellte Höhlen). Seit
Donnerstag besitzen alle wieder Strom. Wasser wird in Kanistern angeliefert und unter den
Bewohnern verteilt. Fährt man durch die Straßen sieht man mehr Trümmer als noch
stehende Häuser.



Viele der Häuser die noch stehen sind auch so stark beschädigt, dass
man nicht mehr drin wohnen kann.







Die Häuser waren sehr alt und bestanden größtenteils
aus Adobe (ein Gemisch organischer Materialien: Sand, Kot, Stroh, Wasser). Wir haben uns
mit den Psychologen, die jetzt vor Ort sind, unterhalten. Sie erstellen von allen Familien
eine Liste mit entstandenen Schäden, benötigten Sachen, psychischen und körperlichen
Schäden und werden diese dann an uns übergeben. Des Weiteren haben wir uns eine Liste
über die Anzahl der Frauen, Männer, Rentner und Kinder geben lassen um
dementsprechend dann auch unser Programm planen zu können.
Das Projekt ist für 9 Monate konzipiert. Geplant ist momentan, dass wir die ersten Monate
alle 4 Wochen und danach alle 6 Wochen hinfahren. Das erste mal werden wir am 2., 3.
und 4. April 2010 (Ostern) hinfahren. Die Kinder werden nach Alter in Gruppen eingeteilt.
Pädagogen werden mit ihnen spielen und singen und ihnen helfen, ein Stück zum Alltag
zurück zu kehren. Sie werden an diesem Wochenende Mittagessen und Tee bekommen.
Ansonsten können wir durch ein Team von Fachkräften medizinische und psychologische
Versorgung zu sagen. Ich habe gestern ein 8 jähriges Mädchen kennengelernt. Sie hatte in
der Nacht des Erdbebens einen Ausschlag am ganzen Körper bekommen. Wir haben uns
mit ihrer Mutter unterhalten, auf die Frage, ob sie denn denke, dass viele traumatisiert
sind, antwortete sie uns: „alle“. Sie können in der Nacht nicht schlafen vor Angst. 12-15
Nachbeben suchen sie am Tag heim. Die Räumlichkeiten zur Betreuung haben wir gestern
geklärt.
Außerdem wollen wir ein Buch über
Itahue erstellen. Die Dorfältesten werden
über ihr Erinnerungen berichten und wir
werden es niederschreiben. So können
wir ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie
eine Funktion haben und gebraucht
werden. Wir wissen, dass eine andere
Organisation demnächst ins Dorf kommen
wird und neue Häuser bauen werden. Da
die meisten alles verloren haben, werden
wir Bettgestelle (viele konnten ihr
Matratzen aus den Trümmern retten) und
kleine Kochplatten mit Töpfen, Tellern
und Besteck kaufen. Vorerst 1 Set für 3
Familien. Je nachdem wie viele Spendengelder zusammen kommen, werden wir eventuell
noch Häuser kaufen. Es gibt Häuser für 1100 Euro, die innerhalb von einem Tag aufgebaut
sind. Sie wurden speziell für Erdbebenopfer entwickelt. Wir haben die Rahmenbedingungen
für alle Freiwilligen geklärt: Übernachten werden wir in Zelten, jeder freiwillige Helfer aus
unserer Organisation bezahlt die Anreise und die eigene Verpflegung selbst und bezieht
selbstverständlich für die aufgewendete Zeit kein Gehalt. Somit kann ich Ihnen zu sichern,
dass die Spenden zu 100% bei den Erdbebenopfern ankommen werden. Insgesamt besteht
unser Team bisher aus 60 Leuten (Psychologen, Mediziner, Pädagogen und allgemeinen
Freiwilligen) allerdings rechnen wir noch mit weiteren Freiwilligen.
weitere Informationen und Fotos könnt ihr euch unter: http://www.contigo-ev.de anschauen...

Gloria Tröße - Santiago, den 13. März 2010
Spenden können Sie über den in Heiligenstadt ansässigen und ebenfalls in Chile
tätigen Verein „Contigo - Chance für Straßenkinder e.V.“:
Stichwort: "Ein Licht für Chile"
Spendenkonto: 48 61 100 01
BLZ: 820 40 000
Commerzbank Heiligenstadt

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